Uns wird von klein auf beigebracht, unsere Vorzüge nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist für Unternehmen nur leider kontraproduktiv.“

(Mag. Cordula Kalz, Gründer*innenberaterin)

Frau Cordula Kalz im Porträt

Mag. Cordula Kalz ist Eigentümerin der Agentur 100% Marketing und berät im Auftrag der Österreichischen Wirtschaftsagentur Gründer*innen und Jungunternehmer*innen in den ersten Jahren. Sie erzählt uns in diesem Interview wie Nachhaltigkeit in Unternehmen aktuell umgesetzt wird.

Du bist externe Unternehmens- und Marketingberaterin für die österreichische Wirtschaftsagentur und begleitest Start Ups auf ihren ersten Wegen zur Gründung und die Jahre danach. Du bist selbst schon seit 20 Jahren im Marketing tätig: Merkst du eine Veränderung? Wird mehr Wert auf Nachhaltigkeit gelegt als noch vor 10/20 Jahren?

Ja, ich bemerke eine Veränderung. Wobei das „gesamte Marketing“ sehr selten auf Nachhaltigkeit umgestellt wird. Meistens sind es einzelne Bereiche: Drucksorten, Rechnungsstellung via PDF, Auswahl von Kundengeschenken, „Grüne Veranstaltungen“ etc. Durchgehende Konzepte werden leider nur vereinzelt umgesetzt.

In welchen Bereichen wird aus deiner Erfahrung heraus vermehrt Wert auf Nachhaltigkeit gelegt? Welche Branche?

Meiner Erfahrung nach sind es nicht bestimmte Branchen, sondern bestimmte Menschen, die für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen sorgen. Dies sind entweder die Eigentümer*innen, die Geschäftsführer*innen oder die Marketingleiter*innen. Wenn diese ihr eigenes Leben bewusster und nachhaltiger leben, dann wenden sie diese Grundsätze auch oft im Unternehmen an.

Ist den Gründer*innen bewusst, dass sie ihre Nachhaltigkeit nach außen kommunizieren müssen?

Ja, dies ist sowohl langjährigen Unternehmerinnen und Unternehmern sowie als auch Gründerinnen und Gründern bewusst. Alle wissen, dass sie damit das Unternehmen positionieren und dies wiederum meist positive Effekte auf den Verkauf hat.

Wie machen sie das?

Meist werden entsprechende Hinweise direkt bei den Maßnahmen platziert, zum Beispiel auf den Drucksorten oder bei Begleitbriefen zu Geschenken, Veranstaltungen etc.

Welche Stolpersteine gibt es auf dem Weg die Nachhaltigkeit zu kommunizieren?

Manchmal erschwert die österreichische Mentalität diesbezüglich eine entsprechende Kommunikation, vor allem bei den kleinen Unternehmen – die es ja mit Abstand am häufigsten in Österreich gibt. Uns wird von klein auf beigebracht, unsere Vorzüge nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist für Unternehmen nur leider kontraproduktiv. Große Unternehmen haben damit weniger Probleme, sie nutzen das Thema Nachhaltigkeit oft sehr umfassend, um ihr Image zu verbessern. Aber auch die große Mehrheit kleiner Unternehmen kommuniziert nachhaltige Maßnahmen sehr wohl, wenn auch dezenter und nicht vollständig.

Wie sieht es mit dem firmeninterner Umgang mit Druck und Papier, der hohen Anzahl an Newslettern aus? Wir wissen, dass E-Mails mittlerweile einen großen Anteil an der weltweiten CO2 Emission haben.

Dass auch Emails umweltschädlich sind, ist wohl nur den wenigsten bewusst. Ich denke, die meisten schätzen diese umweltfreundlicher ein als Postsendungen. Und der firmeninterne Umgang mit Druck und Papier ist meiner Erfahrung nach wieder sehr viel schlechter geworden. Vor ein paar Jahren ist man damit noch sehr viel bewusster umgegangen und es wurde darauf geachtet, wenig auszudrucken.

Welches Unternehmen, das du bei der Gründung beraten hast, hat dich am meisten fasziniert?

Im Moment berate ich einen Gründer, der eine sehr innovative und nachhaltige Geschäftsidee hat. Er kommt aus der Musikbranche und hat die Erfahrung gemacht, dass es für viele Musikerinnen und Musiker sehr schwer ist, ein für sie passendes Streichinstrument zu finden. Jedes Instrument klingt unterschiedlich und jeder Musiker spielt anders und hat andere Vorstellungen von einem idealen Instrument. Deshalb fahren Musiker oft durch ganz Europa zu vielen Geigen- und Cellobauern bis sie endlich nach vielen Versuchen das passende Instrument finden. Dieser Gründer bietet künftig eine Plattform mit Hörproben der Instrumente, sodass die Musiker bereits eine Vorauswahl treffen können. In der Folge müssen sie zu weniger Produzenten hinfahren bzw. sich weniger Instrumente schicken lassen, um diese auszuprobieren und schließlich eines zu kaufen.

Wie glaubst du sieht die Zukunft des „Nachhaltigkeits-Gedanken“ vor allem nach der Corona-Krise aus?

Ich glaube, dass dieser durch Corona einen leichten „Dämpfer“ bekommen hat. Viele Unternehmen haben nun Geldprobleme und daher andere Prioritäten als das Thema Nachhaltigkeit. Andere haben so viele Aufträge und Lieferprobleme, dass sie dafür keine Zeit haben. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich die Situation bis 2023 wieder beruhigt und das Thema dann wieder an Bedeutung gewinnt. Der Klimawandel und die Folgen, die wir alle immer stärker spüren, wird dem Thema neuen Schwung geben.

Wir haben auf unserer Website unter der Kategorie „Abschauen“ einige Paradebeispiele für „Nachhaltigkeit“ angeführt. Wie würdest du, als Expertin deren Performance beurteilen? Hast du Beispiele, die du besonders hervorheben möchtest?

Das sind interessante Beispiele! Die aber auch zeigen, wie schwer und selten es ist, durchgehend als Unternehmen nachhaltig zu arbeiten bzw. nachhaltiges Marketing zu machen. Wobei man sagen muss, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht eindeutig zu definieren und abzugrenzen ist. Wäre es nachhaltiger, wenn der Biohof Adamah mit Elektroautos ausliefert? Oder ist es nachhaltiger, die vorhandenen Autos „auszufahren“? Vor allem, wo noch immer nicht ganz klar ist, wie die Batterien der Elektromotoren künftig umweltfreundlich entsorgt werden können. Und ist es nachhaltig, Rezeptideen auf Papier gedruckt beizulegen? Oder das Unternehmen Bergblut: Tolle Website, aber bei den Lieferungen sind noch jede Menge Informationen auf Papier beigelegt. Und die Verpackungen der Säfte sind aus Plastik, zwar aus recyceltem PET, aber vielleicht wäre Glas noch nachhaltiger?

Mit meinem Input möchte ich zeigen, dass das Thema ein extrem komplexes ist, bei dem sich auch die Experten – weder in der Theorie noch bei der Umsetzung – nicht einig sind. Ich persönlich finde es toll, wenn Unternehmen zumindest versuchen, in möglichst vielen Bereich nachhaltig zu arbeiten und nachhaltiges Marketing zu betreiben. Es muss nicht immer alles gleich perfekt sein, auch mit vielen kleinen Schritten nähert man sich dem Ziel.

Danke Cordula, dass du uns einen kleinen Einblick in die Gründer*innenwelt gegeben hast und dein Wissen über nachhaltiges Marketing mit uns teilst!

Danke für das Interview!
Und ich freue mich, wenn die Absolventen deines Lehrganges mehr Nachhaltigkeit in das Marketing der Unternehmen bringen! Viel Erfolg dabei!

Wenn du wissen möchtest, welche Ideen der Klimaschutzverein POW hat, um den Spagat zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und Klimaschutz in Österreich zu schaffen, klicke hier:

Lies hier das Interview mit Verena Stahl

Quellen:

Interview mit freundlicher Genehmigung von Frau Mag. Cordula Kalz.

Fotocredit: Maximilian Hron/Cordula Kalz