Was Hänschen nimmer lernt, lernt Hans mit Emotionen und gutem Schlaf

Warum uns Schlaf schlauer macht und warum uns das, was wir lernen, unter die Haut gehen sollte

Wie habe ich gejubelt, als ich die folgende Überschrift eines Betrags in der Onlineausgabe des Sterns las: „Bahnbrechende Studie“: Menschliches Gehirn kann im Tiefschlaf Dinge lernen“. Unbestritten für jede/n Schüler/in und Studenten/in die Meldung des Jahrhunderts, nein, was sage ich, des Jahrtausends! Die Erfahrung, dass sich etwas, das man kurz vor dem Einschlafen lernt, besonders gut im Gedächtnis anheftet, hat wohl jeder von uns schon gemacht, das kommt daher, da bei gutem Schlaf das Gelernte konsolidiert wird. Dieses Ergebnis einer Studie von Schweizer Forschern aber, würde gänzlich neue Dimensionen eröffnen. Unvermittelt schossen mir Gedanken, Ideen und Bilder durch den Kopf wie ich diese Erkenntnis für mein Studium nutzen und damit wieder ein Stück Lebensqualität zurückerlangen könnte. Das Leben war endlich wieder lebenswert 😉 Gut, das war jetzt etwas dramatisch, aber Hand aufs Herz, das hatte ihr doch auch gedacht?!

So groß die Euphorie war, so schnell kam die Ernüchterung. Zwar konnte das Forscherteam nachweisen, dass das Gehirn in bestimmten Phasen des Tiefschlafs Informationen aufnehmen und verarbeiten kann, und diese dann im Wachzustand bedingt abgerufen werden können, eine Gedächtnisbildung als auch im unbewussten Zustand möglich ist, allerdings überzeugt mich persönlich eine Trefferquote von 60% nicht restlos und zum anderen ist der technische Aufwand für einen Selbstversuch schlicht nicht realisierbar. Jedenfalls wird mir das Wort „Guga“ lange Zeit in Erinnerung bleiben. Ihr denkt Euch jetzt sicher „Guga“, what? Ja dazu müsst ihr den Artikel schon selbst lesen.

Unbestritten ist guter und ausreichender Schlaf zunächst für unsere Konzentration und damit für unseren Lernprozess essentiell. Aber, es passiert noch mehr während wir schlafen. Unser Gehirn arbeitet, es ist auch nachts aktiv und strukturiert, ordnet, be- und verarbeitet neue Eindrücke, löst Probleme und speichert Gelerntes, es finden also kreative Prozesse im Tiefschlaf statt. Wir sind tatsächlich nach dem Schlafen schlauer. Soweit so gut, es bleibt aber die Frage: Wie die relevanten Daten und Informationen überhaupt erst einmal in unserem Gedächtnis verankern?

Also doch auf die gute Altmodische?

Ohne Fakten- und Sachwissen geht es halt doch nicht, sei es in der Schule, im Studium oder auch im Job. Frontalvorträge, stupides Auswendiglernen, alles solange wieder und immer wieder durchlesen bis sich die Wörter regelrecht ins Gehirn eingebrannt haben? Bringt das den gewünschten nachhaltigen Effekt und das in einer adäquaten Zeit? Konditionierung durch Belohnung und Bestrafung ist jedenfalls nicht die Lösung, da von dem so Gelernten wenig dauerhaft in unserem Gedächtnis verhaftet bleibt. Wie bekommen wir aber nun „das Wissen“ in unsere Köpfe und zwar so, dass wir es nach Möglichkeit nicht gleich wieder vergessen?

Lernen aus Sicht unseres Gehirns

Aus neurologischer Sicht ist Lernen nichts anderes als die Herstellung und Stärkung von Verbindungen zwischen Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Über die Synapsen werden Informationen von den Neuronen gesammelt und verarbeitet. Diese kognitiven Prozesse funktionieren dann am besten, wenn die „richtigen“ Verbindungen gut und stark ausgeprägt sind. Welche sind nun aber die „richtigen“ Verbindungen und wie können wir diese stärken? Und hier kommt „Guga“ ins Spiel.

Guga! Manche sagen „Tschakka“! You name it …

„Emotion“ und „Motivation“ haben denselben lateinischen Wortstamm „movere“, der übersetzt „bewegen“ bedeutet. Emotionen sind soziale Botschaften mit Nachdruck, sie schicken uns rasche, eindringliche, physische Signale, die es uns möglich machen, auf unsere Umwelt zu reagieren.

Guga ist ein Fantasiewort und ich verwende es analog für Motivation aufgrund von Emotionen. Im dem vorgenannten Artikel des Spiegel Online wird beschrieben, wie mit dem Fantasiewort „Guga“ nachgewiesen werden konnte, dass unser Gehirn auch unterbewusst lernt. Auch wenn die Headline letztlich nicht das hält was sie verspricht und was die Studie zu bestätigen vermag, so war ich doch voller Freude und Neugierde, ja voller Euphorie als ich den Beitrag las. Ich konnte beobachten, dass ich das Geschriebene regelrecht aufsog und mir den Inhalt leicht merkte, ja selbst dieses infantile Wort blieb mir im Gedächtnis. Die Erklärung liegt auf der Hand: Emotionen!

Bereits Johann Heinrich Pestalozzi formulierte die entscheidende Bedeutsamkeit des Zusammenspiels von Kopf, Herz und Hand im Lernprozess. Nach Luc Ciompi sind Affekte, also Emotionen, eindrucksvolle und wirksame „Lernkraftverstärker“. Sie sind die „Energielieferanten“ jedweder kognitiven Prozesse. Sie diktieren nicht nur zu jeder Zeit den Fokus unserer Aufmerksamkeit, sondern herrschen auch über den Zugang zu unseren Gedächtnisspeichern, sind der Kleber kognitiver Elemente und bestimmen die Hierarchie der Inhalte unseres Denkens.

Emotionen sind wie Dünger, ohne Emotionen geht nichts

Begeisterung setzt neuroplastische Botenstoffe frei, so vor allem Noradrenalin und Dopamin. Diese Botenstoffe, so Gerald Hüther von der Universität Göttingen wirken „wie eine Gießkanne, die düngt. Alles, was auf diese Art und Weise gelernt wird, bleibt in Erinnerung.“ Was bei Kindern ganz natürlich passiert, gelingt Erwachsenen aufgrund ihres Erfahrungsreichtums naturgemäß nicht mehr ganz so einfach, es bedarf daher der bewussten und gezielten emotionalen Labilisierung.

Erich Schäfer von der Hochschule Ernst-Abbe-Hochschule Jena postuliert, dass eine „begeisterte und zugleich begeisternde Lernhaltung“ ein „wesentlicher Garant für nachhaltige und lebendige Lernprozesse“ ist und weiter, „dass nur das, was uns wirklich unter die Haut geht, was uns auch emotional berührt, eine Chance hat, sich dauerhaft im Gedächtnis zu verankern“.

Wenn Menschen über das Lernen sprechen, erzählen sie auch, was sie zum Lernen motiviert. Roland Tormey, pädagogischer Berater an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne, beschreibt das so: „Emotionen treiben uns an; sie treiben uns auch an, zu lernen“ und „Emotionen spielen eine Schlüsselrolle beim Lernen, sie motivieren und befähigen uns“.

Bildquelle: © RyanMcGuire/pixabay.com

Lernen durch emotionale Labilisierung

Der von John Erpenbeck im Zusammenhang mit der Entwicklung von Kompetenzen geprägte Begriff der emotionalen Labilisierung beschreibt, dass es zur Verinnerlichung Emotionen und Werte bedarf, Lerninhalte somit erlebnis- und erfahrungsorientiert erschlossen und vertieft werden, denn „wenn Gefühle und Emotionen am größten sind, gelingen die besten Lernerfolge“ Das gelte für Freude wie Angst, „ohne Emotionen geht nichts“.


Deshalb: Mit Guga zum Lernerfolg 😉 !

Wie mobilisiert ihr Eure Motivation, welche Emotionen treiben Euch im Lernprozess an und machen Euch beim Lernen erfolgreich? Vielleicht könnt ihr Euch noch an einen emotional geprägten oder lustigen Lernprozess mit Aha-Effekt erinnern, den ihr mit mir teilen wollt?

Ich freue mich über Eure Kommentare!


Weiterführende Literatur & LINKs

Schäfer, E. (2017). Lebenslanges Lernen. Erkenntnisse und Mythen über das Lernen im Erwachsenenalter. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.

https://www.diepresse.com/3880076/lernen-ohne-emotion-geht-gar-nichts

https://www.welt.de/print/wams/vermischtes/article13313628/Duenger-fuers-Hirn.html

https://de.in-mind.org/article/wie-man-sich-fuehlt-so-lernt-man-der-einfluss-von-emotionen-auf-lernprozess-und-lernerfolg

https://www.stern.de/gesundheit/schlaf/-bahnbrechende-studie—der-mensch-kann-im-tiefschlaf-lernen-8560782.html

https://science.orf.at/v2/stories/2961978/

https://www.bildungaktuell.at/bildung/emotionen-schluesselrolle-beim-lernen/0012950/#