Geänderte Spielregeln am Arbeitsmarkt

Der War of Talents ist in aller Munde. Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt verschieben sich zusehends.  Heutzutage bewerben sich Unternehmen bei vielversprechenden Kandidaten. Es lohnt sich, die Hintergründe für diesen Paradigmenwechsel zu betrachten.

Also gehen wir einen Schritt zurück, und fragen uns nach dem WARUM!

Jobannoncen in Tageszeitungen und auf Jobportalen im Internet reichen nicht mehr aus, um geeignete Mitarbeiter zu akquirieren. Der Einsatz von Social Media, allen voran von Sozialen Netzwerken, scheint hier der richtige Kanal zur Ansprache von passenden Kandidaten. Insbesondere Young Professionals und High Potentials erwarten sich oftmals sogar aktiv von Unternehmen angesprochen zu werden. Um als Dienstgeber auch in Zukunft die wertvolle Ressource „qualifizierter Mitarbeiter“ für das Unternehmen gewinnen und halten zu können, ist es unabdingbar, dass Unternehmen ihre Hausaufgaben machen und eine passende Strategie für die Personalbeschaffung und Mitarbeiterbindung entwickeln (Dannhäuser, 2017). Dafür lohnt es sich, die Hintergründe für den Paradigmenwechsel in der heutigen Arbeitswelt zu beleuchten.

Fachkräftemangel

Die Klagen der Unternehmer, wonach in Österreich (aber auch in Deutschland und der Schweiz) ein massiver Fachkräftemangel herrscht, werden schon seit Jahren immer lauter. So erhob das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) im Auftrag der WKO, basierend auf einer Umfrage von rund 4500 Betrieben in Österreich im Frühjahr 2018, wonach 87% der österreichischen Unternehmen den Fachkräftemangel bewusst wahrnehmen und infolge des nicht gedeckten Bedarfs bereits 60% der befragten Betriebe Umsatzbußen hinnehmen mussten, weil sie beispielsweise Aufträge nicht übernehmen konnten, was in weiterer Folge auch das Wirtschaftswachstum bremste. Hochgerechnet ergibt das einen Mangel von rund 162.000 Fachkräften in Österreich. Als Reaktion auf die Rufe und Forderungen der Unternehmer, kam es im September 2018 zu wesentlichen Änderungen im Arbeitszeitgesetz und im Arbeitsruhegesetz.

Aber in welchen Berufen sind nun Fachkräfte Mangelware? Auch das hat das ibw im Zuge der Umfrage erhoben: Allen voran in den Handwerksberufen, technischen Berufen und in der IT-Branche, sowie im Gastgewerbe und Fremdenverkehr. Nach formalen Qualifikationen bzw. Bildungsabschluss suchen Unternehmen vor allem nach potenziellen Mitarbeitern die über einen Lehrabschluss oder Pflichtschulabschluss mit Berufserfahrung verfügen.

Die Politik und Wirtschaft müssen sich meines Erachtens in diesem Zusammenhang die Frage gefallen lassen, wie es heute dazu kam, dass ein Mangel an Fachkräften herrscht. Die WKO begründet dies vor allem mit dem demografischen Wandel, also damit, dass mehr Personen aus dem Arbeitsleben aufgrund von Pensionierung austreten, als Berufseinsteiger nachrücken. So beklagen Unternehmen, dass es Ihnen an Fachkräfte mit Lehrabschluss mangelt, gleichzeitig sind paradoxerweise aber nur rund 37% der befragten Betriebe bereit, mehr Lehrlinge auszubilden und fast 18% bilden ganz generell keine Lehrlinge aus. Und weiter, die Betriebe monieren hohe Belastungen für Aus- und Weiterbildung des bestehenden Personals, um den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern intern abzudecken. Abgesehen von jenen Berufen, die noch gar nicht erfunden sind, und es somit noch gar nicht möglich ist, die notwendige Qualifikation zu erwerben oder aber jenen, die sich erst neu entwickelt haben und damit naturgemäß die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten und -programme hinterherhinken, sind diese Probleme meiner Meinung nach Haus gemacht. Auch die WKO hat hier zwischenzeitlich einen neuen Kurs aufgenommen, wie aus ihrem Papier zum Thema Fachkräftesicherung zu erkennen ist.  

Digitalisierung, Änderung der Wertvorstellung und die Suche nach der Eierlegenden Wollmilchsau

Aber auch aufgrund von Digitalisierung und Änderung der Wertvorstellung wird der Arbeitsmarkt zunehmend komplexer. Rudi Bauer (Geschäftsführer StepStone Österreich) fasst die Situation in seinem Beitrag im Magazin TRAiNiNG, Ausgabe 08/2019, folgerichtig zusammen: „Auf der einen Seiten stehen Massenbewerbungen, die zeitnah gesichtet und aussortiert werden wollen. Auf der anderen Seite geht es um die Suche nach ganz spezifischen Fähigkeiten und Talenten, die oft viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen“ (Bauer, S. 47). Gefragte Kandidaten fordern Aufmerksamkeit, prüfen ihrerseits potentielle Arbeitgeber und verlangen nach sinnstiftenden Tätigkeiten. Die Übereinstimmung der Werte von Unternehmen und Kandidat, der sogenannte Culture Fit, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Unbestritten hat der Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt längst eingesetzt und wird sich dieser, vor allem auf dem Gebiet der Personalbeschaffung von gut qualifizierten Mitarbeitern in den sogenannten Mangelberufen, wohl auch die kommenden Jahre weiterfortsetzen. Die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Die Auffassung, dass sich in der heutigen Zeit Unternehmen um Kandidaten bewerben wird zunehmend zur Realität im Gefüge suchendes Unternehmen und Ressource „Mensch“.

Bildquelle: © Andrea Hauke

Selbstverständlich wünscht sich jeder die Eierlegende Wollmilchsau: Jung, bereits gut ausgebildet mit entsprechender Berufserfahrung und gefragten Qualifikationen und Fähigkeiten. Doch das ist nichts Neues. Durch neue Technologien bekommt dieser Anspruch allerdings eine neue Wertigkeit. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass Schlagworte wie „War of Talents“ und „Kampf um die besten Köpfe“ in aller Munde sind. Selbstredend möchte jedes Unternehmen für sich die schlausten und größten Talente. Durch den gezielten und richtigen Einsatz von Social Media stehen die Chancen gut, sich einen Vorteil in diesem Wettbewerb zu sichern.


Was meint ihr? Was sagt ihr dazu?

Ganz unumstritten ist der Fachkräftemangel nicht. Gegenstimmen behaupten, dass der Fachkräftemangel eine Erfindung der Arbeitgeber sei, um ihre Forderungen, wie längere Arbeitszeiten, durchzubringen. Habt Ihr in Eurem Unternehmen den Fachkräftemangel bereits zu spüren bekommen? Was glaubt Ihr, ist der Grund, dass Betriebe keine Fachkräfte finden?

Schreibt mir Eure Erfahrungen und Meinungen gerne als Kommentar!

Bildquelle: © Andrea Hauke


Ich habe Euch hier noch eine Linksammlung zu den erwähnten Quellen und weiteren Beiträgen zusammengestellt

https://ibw.at/bibliothek/id/475/

https://news.wko.at/news/oesterreich/wko_fachkraefteumfrage_zusammenfassung_final.pdf

https://www.wko.at/service/arbeitsrecht-sozialrecht/novelle-azg-arg.html

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191227_OTS0004/40-aller-jobs-in-denen-wir-2030-arbeiten-werden-sind-heute-noch-nicht-erfunden-bild

https://www.wko.at/service/unternehmensfuehrung-finanzierung-foerderungen/fachkraeftesicherung.html