Die Blockchain revolutioniert Wahlen – von der Vision bis zum Durchbruch

Du gehst regelmäßig wählen und gibst deine Stimme persönlich im Wahllokal ab?! Hast du bereits über die Revolutionierung des Wahlsystems nachgedacht? Wir schon! Im Gespräch mit Benjamin Strasser, Software Engineer und Lead Blockchain-Developer bei iteratec GmbH erfährst du mehr über die digitale Abstimmungssoftware DecentraVote sowie die Zukunft der Wahlen.

iteratec GmbH ist ein internationales Dienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in München und einer eindeutigen Vision: „Taktgeber der Innovation werden“ (iteratec GmbH, o.D.). Mit dem strategischen Expertenwissen in Bereichen wie KI und Blockchain, erschaffen sie individuelle und zukunftssichere Softwarelösungen für ihre Kundschaft. Zu den neusten Dienstleistungen des Unternehmens zählt das aus einer Masterarbeit sowie aufgrund der Pandemie entstandene digitale Abstimmungsprogramm DecentraVote. Dieses auf der Blockchain basierende Wahlsystem soll es stimmberechtigten Teilnehmenden von Genossenschaften, Vereinen, Verbänden etc. ermöglichen, von überall digital zu wählen (iteratec GmbH, o.D.). Wir haben uns dazu einige Fragen gestellt, welche wir gemeinsam mit den gekürzten, zusammengefassten und paraphrasierten Antworten von Benjamin Strasser hier für dich erläutern:

Wie funktioniert DecentraVote und was unterscheidet das Programm von anderen vergleichbaren digitalen Wahlsystemen?

Anders als die herkömmlichen digitalen Wahlsysteme, welche zentral über einen Server laufen, handelt es sich bei DecentraVote um ein dezentrales Abstimmungsprogramm. Das bedeutet, die Verarbeitung der Stimmen findet über mehrere unabhängige Blockchain-Knoten statt. Dies bietet den Vorteil, dass durch die Blockchain das Vertrauen auf mehrere Punkte aufgeteilt wird und mehr Transparenz entsteht. Nachteil ist hierbei wiederum die Öffentlichkeit. Um dennoch beweisen zu können, dass man stimmberechtigt ist und um die Anonymität gewährleisten zu können, wird mit einer Zero-Knowledge-Proof-Technologie gearbeitet.

Bei herkömmlichen Wahlen werden oft Wahlbeobachtende eingesetzt. Weiters findet vorab immer eine Identitätsfeststellung mittels rechtskräftigem Identitätsnachweis (Führerschein, Reisepass etc.) statt. Wie sieht das bei DecentraVote aus und wie kann sichergestellt werden, dass jeder Wähler nur eine Stimme abgibt?

Die Rolle der Wahlbeobachtenden nehmen alle Teilnehmenden der Abstimmung und teilweise die Blockchain selber ein. Grund hierfür sind die oben genannte Zero-Knowledge-Proof-Technologie sowie Berechnungen, die vorab auf die Blockchain gestellt wurden und unveränderbar sind.

Bezüglich der Identitätsfeststellung lohnt es sich, einen Blick auf die Vorgehensweise einer Abstimmung zu werfen:

  1. Zumeist gibt es eine zentrale Stelle z. B. der Vorstand, welcher eine anonymisierte Mitgliederliste auf die Blockchain lädt. Die Blockchain bietet die Möglichkeit, diese Liste unveränderbar zu machen und auf den Daten basierte Abstimmungen durchzuführen.
  2. Die Mitglieder erhalten einen Zugriff zum Anmeldesystem z. B. in Form eines Access Codes, welcher per E-Mail versendet wird.
  3. Die Identitätsfeststellung erfolgt mittels der Zero-Knowledge-Proof-Technologie. Hierbei haben die Teilnehmenden die Möglichkeit zu beweisen, dass sie auf der Liste stehen, ohne zu verraten, wer sie sind. Mit der Hilfe eines Zertifikats wird außerdem eine Doppelabstimmung verhindert.
  4. Alle Teilnehmenden können sich die hinterlegte anonymisierte Mitgliederliste ansehen z. B. aufgrund der Einsichtspflicht für Genossenschaften.
Zwei Kritikpunkte, die in Bezug auf die Blockchain im Einsatz bei Wahlen immer wieder geäußert werden: Eine mögliche Rückverfolgung der Stimmen, sodass eine Anonymität der Wählenden nicht mehr gegeben wäre und die nicht mögliche erneute Auszählung der Stimmen bei einem umstrittenen Ergebnis. Konnten diese Probleme bei DecentraVote gelöst werden?

Ja, DecentraVote ermöglicht es, dass die Anonymität tatsächlich aufrecht bleibt und Stimmen immer wieder erneut ausgezählt werden können. Die nicht mögliche Rückverfolgung garantiert wiederum die Zero-Knowledge-Proof-Technologie. Auch für uns als Hersteller, welche den kompletten Aufbau des Systems kennen, wäre es unmöglich, die Stimmen zu deanonymisieren.

Ausgangspunkt für ein umstrittenes Ergebnis ist oft ein Manipulationsverdacht. Eine Wahlmanipulation wäre allerdings nur in zwei Szenarien denkbar:

  1. Wenn das Netzwerk eines Teilnehmenden von einer anderen Person kontrolliert wird.
  2. Wenn ein Virus auf dessen Computer installiert ist, welcher speziell auf die Manipulation von Abstimmungen, die auf DecentraVote basieren, aus wäre.

Hierbei ist jedoch auch wieder festzuhalten, dass Stimmen, die bereits abgegeben und gespeichert wurden, nicht manipuliert werden können. Beide Szenarien wären mit einem unglaublich großen Aufwand verbunden. Es stellt sich natürlich die Frage, ob Angreifende diesen Aufwand für eine Abstimmung mit geringer Reichweite wie beispielsweise eine Genossenschaftswahl betreiben würden.

Betreffend die Auszählbarkeit: Das Ergebnis ist immer auszählbar, denn alle Teilnehmenden zählen die Stimmen für sich selbst aus und haben auch die Möglichkeit zu kontrollieren, ob alle Daten korrekt sind. Am Ende einer jeden Auszählung erhält jeder Teilnehmende eine Liste mit den einzelnen Antworten sowie dem vorhin erwähnten Beweis zur Kontrolle der Validität. Sollte dieser nicht valide sein, wird die Stimme als ungültig erklärt, denn nur mit dem Beweis können sich alle sicher sein, dass die Person auch Mitglied ist. Es sei noch erwähnt, dass die Abgabe von mehr Stimmen, als es Teilnehmende gibt, technisch nicht möglich ist.

Das aktuelle Wahlsystem ist für jeden verständlich, eine auf die Blockchain basierende Wahl nicht – könnte dies Grund dafür sein, dass die Technik heutzutage erst sehr selten zum Einsatz kommt? Was ist deine persönliche Einschätzung, mangelt es am Vertrauen in die Technik?

Bei großen Wahlen wie beispielsweise der Nationalratswahl ist natürlich ein anderes Level an Sicherheit und Verständnis notwendig. Wenn ein Wahlsystem für die Wählenden nicht durchsichtig ist und das Vertrauen in das System nicht existiert, wäre natürlich die Gefahr, dass jemand behauptet, dass eine Wahlmanipulation stattgefunden hat, viel größer. Das heißt, das Problem wäre eher gesellschaftlicher Natur. Bei Genossenschaften kann man sich zum Beispiel die Zeit nehmen sehr individuell auf Fragen einzugehen. Man kann ihnen erklären, wie das System funktioniert, sodass es verständlicher ist und mehr Akzeptanz findet. Außerdem gewinnt DecentraVote im Direktvergleich zu einer Auszählung durch Personen sehr oft, denn es wäre theoretisch möglich, dass eine Absprache zwischen den Auszählenden besteht. Aus meiner Sicht wird es sicher einmal einen Punkt geben, bei welchem die Wählenden die Technologie besser verstehen. Das lässt sich beispielsweise auch an der Entwicklung der Nutzung des Internets bzw. des Online-Bankings erkennen.

Letzte Frage: Könnte diese Technologie auch das österreichische Wahlsystem revolutionieren und wie wird die Zukunft der Wahlen aus deiner Sicht aussehen?

Es stellt sich eher die Frage, ob die Notwendigkeit da wäre, das Wahlsystem weitgehend zu revolutionieren, denn die Briefwahl ist aus meiner Sicht eine gute Option. Es gäbe aber auf jeden Fall bereits Technologien wie beispielsweise die Handysignatur, die uns dabei unterstützen könnten, ein Blockchain basiertes Wahlsystem einzuführen. Für Personen, die ein solches System gerne hätten, wäre es natürlich eine gute Option. Es müsste allerdings bei einer gesamtheitlichen Nutzung auch von jedem Wählenden akzeptiert werden.

Aus meiner Sicht wird ein auf die Blockchain basierendes Wahlsystem bei Genossenschaften, Vereinen, Aktiengesellschaften etc. immer gängiger werden. Bei größeren Wahlen wie der Nationalratswahl wird es, wenn langsam passieren. Grund hierfür sind die vorhin genannten Bedenken.

Wie lautet deine Meinung dazu? Teile sie uns in den Kommentaren mit!

Schon mal etwas von Smart Contracts gehört? Elzbieta Kliszcz stellt in ihrem Blogbeitrag „Smart Contracts – alles was man wissen muss“ spannende Details dazu vor.

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