Wie grün ist grüner Strom? Im Gespräch mit Stefan Zach von der EVN AG

Hochspannungsleitungen Strom
Abbildung 1: Hochspannungsleitungen Quelle: Pexels Pok Rie

Um den immer schneller fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten, ist der Umstieg auf erneuerbare Energie ein Schlüsselfaktor. Viele Haushalte in Österreich werden bereits mit Ökostrom versorgt. Auf der anderen Seite herrscht große Skepsis ob das, was den Kunden als grüner Strom verkauft wird, nachweislich aus der erneuerbaren Energiegewinnung stammt. Wir durften mit EVN Unternehmenssprecher Stefan Zach über Strom-Herkunftsnachweise und die möglichen Hintergründe zur verbreiteten Ökostrom-Skepsis sprechen.

In der nachhaltigen Stromerzeugung ist die EVN Betreiber von mehr als 200 Anlagen. Um welche Anlagen und Energiequellen handelt es sich dabei?

Stefan Zach: Wir kommen aus einer thermischen Tradition, das hat mit der Struktur der österreichischen Energiewirtschaft zu tun. In den letzten 25 Jahren haben wir einen sehr starken Transformationsprozess in Richtung erneuerbare Energie gemacht. Wir haben in etwa 80 Kleinwasserkraftwerke in NÖ und in der Steiermark und 5 Speicherkraftwerke, das sind etwas größere Anlagen am Kamp und an der Erlauf. Das Größte ist das Pumpspeicherkraftwerk Ottenstein am Kamp. Außerdem betreiben wir noch Kleinwasserlaufkraftwerke von 300 kW bis 2.5 Megawatt. Dazu gekommen ist die Stromerzeugung aus Wind, da sind wir mittlerweile schon seit längerem größter Windstromerzeuger in Niederösterreich, zweitgrößte Österreichs. Derzeit erzeugen wir aus Wind 380 bis 390 Megawatt. Das ist schon relativ viel. Ziel ist es, in den nächsten 3 Jahren auf 500 Megawatt zu kommen. Dann sind wir Betreiber von Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen. Die EVN ist der größte Vermarkter von Naturwärme aus Biomasse in Österreich. Und einige dieser Anlagen erzeugen auch Strom.

Unternehmenssprecher Stefan ZACH EVN
Abbildung 2: Stefan Zach © EVN / Rumpler

Unsere Unternehmensstrategie ist es, unseren Kunden hundert Prozent Strom aus Niederösterreich oder Österreich zu liefern und dem tragen wir auch in unserer Produktgestaltung Rechnung – mit lückenlosen Herkunftsnachweisen.

Stefan Zach, Unternehmenssprecher EVN AG

Herkunftsnachweise* gemäß EU-RL 2009/28/EG sind die einzigen im Detail definierten Nachweise für die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energieträgern. Glauben Sie, dass dieses System manipulierbar ist?

Stefan Zach: Nein das glaube ich nicht. Es ist ein gutes System. In den meisten EU-Staaten gibt es keine vergleichbaren Zertifikats-Handelssysteme, vor allem nicht mit so strengen Kriterien für den Nachweis auf den Kundenrechnungen. Es gibt Länder die auf Kunderechnungen gar nichts nachweisen müssen. In Norwegen zum Beispiel gibt es hundert Prozent Wasserkraft. Die verkaufen ihre Zertifikate teuer ins Ausland und liefern dann sogenannten Graustrom an die eigenen Kunden. Grau-Strom ist Börsen-Strom ohne Zertifikat, also ohne Herkunftsnachweis.

Systemisch funktioniert das so – Strom ist eine Handelsware und wird an den Börsen vermarktet. An der Börse selbst wird der Strom in kWh und in den Herkunftsnachweis zerlegt. Diese beiden Teile können separat gehandelt werden. Da kann man stehen dazu, wie man will. Es ist auf jeden Fall ein Fördersystem in Richtung erneuerbare Energien. Sie können damit, das ist der Vorwurf den NGOs gerne machen, aus einer Kilowattstunde aus dem Atom-Kraftwerk Dukovany Ökostrom machen. Durch die Zerlegung an der Börse und den Zukauf eines Zertifikats.

*Mit einem Herkunftsnachweis kann ein Ökostromerzeuger nachweisen, dass er tatsächlich erneuerbare Energie produziert und in das öffentliche Netz einspeist (E-Control, 2021).

Wie begegnen Sie Kritikern, die der Meinung sind, dass die Vermarktung von Ökostrom nicht nachvollziehbar oder intransparent ist?

Stefan Zach: Es ist total transparent. Die Datenbanken sind öffentlich zugänglich. Jede/r kann sich ansehen, woher die Zertifikate stammen. Das wird penibel aufgelistet. Den Vorwurf der Intransparenz halte ich für absurd. Man kann darüber streiten, ob das okay ist, dass Strom in kWh und in Zertifikat geteilt wird und das es getrennt gehandelt werden kann. Aber diese Kritik ist nicht an uns zu richten, sondern an die EU. Es gibt wenigstens ein System, das es möglich macht, sich ethisch zu verhalten. Eigentlich handelt es sich um eine indirekte Förderung, wenn sie so wollen, für erneuerbare Energie über die Zertifikate. Weil ein Zertifikat aus einem Windpark oder aus einer großflächigen Photovoltaikanlage natürlich teurer ist als ein Zertifikat aus einem Kohlekraftwerk.

In den Medien wird immer wieder davon berichtet, wie ganze Länder mit erneuerbarer Energie versorgt werden könnten. Wie beurteilen Sie diese Aussagen?

Stefan Zach: Das ist eine Fiktion, das muss man auch ehrlich aussprechen. Wir brauchen ein System in einem Stromsystem, wo sie sekundengenau die Menge Strom produzieren können, die aktuell gerade gebraucht wird. Das können sie allein mit Wind und Sonne nicht machen, vielleicht kann man das irgendwann, aber in den nächsten 10 bis 20 Jahren wahrscheinlich noch nicht. Deshalb brauchen wir systemstabilisierende Begleitmechanismen, um die Erneuerbaren weiter ausbauen zu können. Das spricht überhaupt nicht gegen die Erneuerbaren, das wird oft missverstanden.

Die Anteile der Energieträger in Österreich im Vergleich aus dem Jahr 2019.
Abbildung 3: Primärenergieerzeugung in Österreich Quelle: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

Laut dem Stromkennzeichnungsbericht der E-Control gibt es in Österreich 131 Grünstrom-Anbieter. Global 2000 bezeichnete einige Anbieter als getarnte Atomstromkonzerne aus Deutschland und Frankreich. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?

Stefan Zach: Also der Bericht ist mit Verlaub gesagt wirklich mit Vorsicht zu genießen. Global 2000 war vor etlichen Jahren viel besser als heute. Das ist meine persönliche Meinung. Diese Berichte haben keine Qualität, das muss man ehrlich sagen. Das war früher mal anders. Wir wurden immer schlecht geratet, weil wir einen deutschen Aktionär hatten – die Enbw, die unter anderem auch Atomkraftwerke betreibt. Deshalb haben wir massiv Minus-Punkte erhalten, obwohl wir mit dem Unternehmen keine Geschäfte machten, nicht gemeinsam Strom handelten. Dem deutschen Unternehmen gehörten 30% der EVN als reines Finanzinvestment, die hatten nichts bei uns mitzureden.

Wie sehen Sie die Bereitschaft zum Einsatz von erneuerbarer Energie in Österreich?

Stefan Zach: Die Bereitschaft und die Akzeptanz sind extrem hoch. Markt- und Meinungsforschungen ergaben eine Zustimmung zu Wasserkraft, Wind und Photovoltaik von 80 bis 90%. Aber wenn sie dann konkrete Projekte in Gemeinden haben, ändert sich das rapide. Früher hatten wir kleine Minderheiten, die uns angefeuert haben, dass wir noch mehr machen sollen, mehr Photovoltaik und noch mehr Windräder. Heute gibt es kleine Minderheiten, die versuchen mit allen Tricks solche Projekte zu verhindern. Die Behörden-Verfahren in Österreich sind äußerst bürgerorientiert. Projektgegner, die sich gut auskennen, können Projekte, ohne dass sie sich besonders anstrengen müssen, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verzögern. Wenn ein Projekt dann durch alle Instanzen genehmigt wurde, sie zu bauen beginnen und es kommt bevor sie noch fertig sind ein Schwarzstorch daher, können Sie die Bauarbeiten unverzüglich einstellen und diesen Windpark wahrscheinlich, egal wieviel da schon investiert wurde, nie in Betrieb nehmen. Und jetzt kommt eine neue Verordnung aus der EU in der mit hoher Wahrscheinlichkeit stehen wird, dass sogar bestehende Windparks, wo sich im Umfeld ein Schwarzstorch ansiedelt, stillgelegt und abgebaut werden müssen. Wie man die Klima- und Energieziele unter solchen Rahmenbedingungen schaffen will, das ist mir schleierhaft und zwar völlig. Weil so werden sie garantiert nicht erreichbar sein. Es ist so schon schwierig genug. Diese Regelungen hindern Leute daran, Geld in solche Projekte zu investieren. Das ist ein viel zu hohes Risiko.

Fazit

Elektronische Systeme der E-Control machen die Herkunft von Strom in Österreich nachweisbar. Der Strom-Zertifikatshandel ist einerseits Zündstoff für Ökostrom-Skeptiker, gleichzeitig wird er auch als indirektes Ökostrom-Fördersystem bezeichnet. Der weitere Ausbau von erneuerbarer Energie durch neue Anlagen wird zunehmend schwieriger, da der Schutz von Artenvielfalt, Umweltauflagen und Bürgerinitiativen im Interessenskonflikt mit den Anlagenbetreibern stehen. Die EVN AG sieht darin auch ein Risiko für mögliche Investoren.

Key Takeaways: 

  • Strom ist eine börsenorientierte Handelsware und wird in Herkunft und kWh zerlegt
  • Die E-Control dokumentiert in der Stromdatenbank den gesamten Lebenszyklus eines Herkunftsnachweises
  • Eine flächendeckende Energiewende zu 100 % Ökostrom ist unter anderem aufgrund des bestehenden Stromsystems momentan noch nicht möglich

Literaturverzeichnis

E-Control (2021). Herkunftsnachweis. https://www.e-control.at/industrie/oeko-energie/herkunftsnachweis [01.07.2021]

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Hochspannungsleitungen, Pok Rie (13.05.2017), Elektrische Pfosten.  https://www.pexels.com/de-de/foto/elektrische-pfosten-409020/ [01.07.2021]

Abbildung 2: Stefan Zach. Rumpler (2019) © EVN 

Abbildung 3: Primärenergieerzeugung in Österreich. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. (2020). Energie in Österreich. BMK. https://www.bmk.gv.at/themen/energie/publikationen/zahlen.html [01.07.2021]

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