Ethische Fragen zur Blockchain

Die Blockchain-Technologie bietet einen großen Handlungsspielraum. Dabei stellen sich bei einer zunehmend dezentralisierten Welt auch ethische Fragen zur Blockchain.

Gemeinsam mit Technosoph Manfred Litzlbauer gehe ich der Frage auf den Grund „Kann die Blockchain-Technologie ein ethischeres Wirtschaften ermöglichen?“

DR: Manfred, du beschäftigst dich schon seit einer Weile mit künstlicher Intelligenz, aber auch mit der Blockchain. Für mich als Laie stell ich mir die Blockchain ein wenig vor wie beim Domino. Was ist das Wesen der Blockchain? Wie würdest du das beschreiben?

ML: Die Vorstellung vom Domino greift vielleicht ein wenig zu kurz, aber sie ist auch nicht völlig verkehrt. Bei der Blockchain-Technologie ist es so, dass jede Transaktion immer mit der vorangegangenen und der nachfolgenden Transaktion verknüpft ist. Man kann also einzelne Teile nicht einfach ändern oder löschen, weil sonst die Reihe nicht mehr stimmt. Technologisch ist das schon mal eine geniale Idee das so zu machen.

Die zwei wichtigsten Eigenschaften der Blockchain, die auch bei ethischen Fragen eine Rolle spielen sind ihre Transparenz und die Manipulationssicherheit.

Alles dreht sich um Macht

DR: Es heißt ja, die Blockchain ist für jedermann und dass allein schon durch die Möglichkeit der Teilhabe ein ethischeres Wirtschaften im Sinne der Chancengleichheit gegeben ist. Ist das wirklich so? Was, wenn das technische Verständnis nicht gegeben ist?

ML: Überleg mal wie kompliziert (technologisch gesehen) so eine Plattform wie Facebook ist. Aber die Benutzeroberfläche ist ja sehr einfach. Das muss eben die Blockchain noch schaffen, dass sie benutzerfreundlich wird.

Es muss für die Leute einfach sein. Aber nicht alle einfachen Sachen setzen sich durch. Es muss also noch was anderes geben. Dieses Andere ist aus meiner Sicht einer der wesentlichen Punkte, das ist der Begriff der Macht.

DR: Macht ist ein gutes Stichwort. Theoretisch sollte ja durch die Blockchain-Technologie mehr Transparenz und besserer Informationsaustausch stattfinden, was eine Umverteilung oder gar Gleichverteilung von Macht mit sich bringen kann. Meinst du, dass die Blockchain-Technologie eine neue Form von Demokratie schaffen kann?

ML: Wenn die Macht aufgebrochen wird durch dezentrale Systeme, dann haben die Mächtigen einen Macht- oder sogar Rollenverlust. Die Blockchain-Technologie ist dezentral und das könnte zu einer Steigerung von Demokratisierung, Liberalisierung und Gleichberechtigung führen. Den Großen liegt daran aber nichts. Meine Vermutung: damit die Großen weiterhin ihre Macht behalten, werden Sie alles daran setzen eine zentralisierte Blockchain zu schaffen.

Die technologische Evolution und ihre Folgen

DR: Bei der Blockchain geht es ja darum, dass man Mittelsleute ausschaltet. Dadurch fallen aber auch menschliche Arbeitsplätze weg. Da stellt sich die ethische Frage: Ist das vertretbar?

ML: Arbeitsplätze sind durch künstliche Intelligenz viel mehr gefährdet als durch die Blockchain. Es spart Geld, weil man keinen Rechtsanwalt, Makler, Notar oder so braucht. Es spart Geld und hat damit einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Aber eben jene, die dadurch eine Bedrohung für sich erkennen, wehren sich massiv dagegen.

Es gibt noch keinen Treiber. Den wird es erst dann geben, wenn für die Bedrohten der eigene Nutzen gegeben ist und sie Geld mit dem Einsatz der Blockchain verdienen können. Wer sich an die Technologie anpasst, wird überleben. Das ist heute die technologische Evolution. Wir haben das Ende der natürlichen Evolution erreicht. Weder Stärke noch Intelligenz entscheiden über das Überleben. Es war immer schon so, dass Berufe verschwinden, dafür entstehen neue Berufe. Deshalb spricht auch ethisch-moralisch nichts dagegen, dass manche Berufe sich verändern oder wegfallen.

Ohne Regeln geht es nicht

DR: Das Thema der Blockchain ist ja, dass ich selbst organisiert bin und eben kein Regulativ mehr drin habe, welches mir Regeln vorgibt. Brauche ich nicht trotzdem ein korrigierendes Element, damit gewährleistet ist, dass zwei Interessen nicht gegeneinander laufen?

ML: Das Regulativ ist schon in der Technologie drin. Außerdem kann ja der Staat ein Regelwerk vorgeben, welches dann auch auf die Blockchain anzuwenden ist. Wenn man alles der Technologie überlässt, kommt die Angst auf, dass die Technologie nicht im Sinne der Menschen agiert.

Ein Problem bei der Blockchain kann aber natürlich auch sein, dass viele Menschen die Technologie nicht beherrschen. Da kommt dann das wieder ins Spiel, was ich eingangs erwähnt habe, dass man es schaffen muss die Blockchain-Technologie nutzerfreundlich und damit auch massentauglich zu machen.

DR: Eine andere ethische Frage zur Blockchain, ist die Frage der Verantwortung? Bei einem dezentralen System, was passiert bei Problemen oder Haftungsproblemen. Wer hat die Verantwortung?

ML: Bei Smart Contracts wird ja mit Wenn-Dann Funktionen praktisch jede relevante Gegebenheit abgedeckt, um alles automatisiert abzuwickeln. Ein Smart Contract deckt nur ab, was ich vorher programmiere. Wenn im Smart Contract alles abgedeckt ist, dann bringen diese eindeutigen Regeln ein enormes Maß an Rechtssicherheit mit sich. Für den Inhalt des Kontrakts können nur die beiden Vertragspartner verantwortlich sein.

Mir ist bislang noch kein allgemeingültiger Code of Conduct für die Blockchain bekannt. Wenn es also zu einem klassischen Streitfall kommt, weil im Vertrag etwas nicht abgedeckt ist, ist bislang nicht klar, wie dieser Fall zu klären ist. Nach heutigen Maßstäben bräuchte es wohl doch wieder ein Gericht, welches entscheidet. Es bietet sich wohl an auch in einem Smart Contract eine Klausel zu vereinbaren, was geschieht, wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht.

Glück und Unglück der Transparenz

DR: Die Blockchain rühmt sich mit gnadenloser Transparenz. Aber stellt sich hier nicht die ethische Frage ob eine solche Form der Transparenz wirklich zu einem moralischen Verhalten führt?

ML: Eine wie du es nennst gnadenlose Transparenz fördert sicher ein ethisches Verhalten, weil ja für alle nachvollziehbar wäre, wenn ich mich unethisch verhalte. Die einen begrüßen das vielleicht und sehen darin die Chance für mehr Freiheit und Ehrlichkeit. Andere wiederum könnten sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. In einer liberalen Gesellschaft will man ein privates, intimes Leben haben. Eine brutale Transparenz will man bei uns sicher nicht. In Europa wird es aber allein schon wegen der DSGVO keine völlige Transparenz geben.
Man muss sich einfach beim Thema Transparenz und Freiheit die Frage stellen, wie sich das Interesse des Einzelnen zum Gemeinwohl verhält.

Es muss auch in der Blockchain ein gewisses Maß an Anonymität geben. Hier wird man in Zukunft wohl ganz genau darauf schauen, was mehr wiegt, die Transparenz für alle oder die Anonymität des Einzelnen.

DR: Was kann die Transparenz durch die Blockchain-Technologie also aus ethischer Sicht leisten? Hast du ein anschauliches Beispiel?

ML: Überlegen wir uns die Blockchain im Einsatz bei der Supply-Chain oder auch bei der Dokumentation von Löhnen. Ich kann als Unternehmen den kompletten Weg eines Produktes nachzeichnen und in der Blockchain festhalten. Konsumenten fordern diese Art von Transparenz zunehmend ein. Wie läuft die Produktion ab? Wie sind die Arbeitsbedingungen?
Die Blockchain-Technologie kann mir als ethisch korrekt operierendem Unternehmen hier einen Vorteil gegenüber von schwarzen Schafen am Markt bieten. Das könnte man sich vorstellen wie ein Ethik-Siegel. Wenn der Produktzyklus genau nachverfolgbar ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Unternehmen hier ethisch-moralisch richtig verhalten.

DR: Manfred, ich danke dir vielmals für deine Zeit.

Wer sich für Manfred Litzlbauers philosophische Betrachtung zum Thema KI interessiert, dem sei seine Seite spiritua.life ans Herz gelegt.

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