Die Bedeutung einer zukünftigen „künstlichen Kompetenz“

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Ist die künstliche Intelligenz intelligent, kompetent, oder beides? Welche Chancen, Herausforderungen und Risiken gehen mit dem Einsatz von KI für Unternehmen einher? Viele Pioniere auf dem Gebiet der KI-Forschung warnen vor dem unbedachten Einsatz und überzogener Euphorie. Manche wagen sogar zu behaupten, dass die KI gefährlicher sei als die Atombombe.


Wie intelligent sind Maschinen wirklich?

Künstliche Intelligenz (kurz KI oder AI engl. für Artificial Intelligence) sind Algorithmen und bezeichnet das Vorhaben, die kognitiven Vorgänge des menschlichen Gehirns, konkret das menschliche Lernen und Denken, auf den Computer zu übertragen. Um unserer technischen Realität Rechnung zu tragen, muss zwischen starker und schwacher KI unterschieden werden. Starke KI ist die eierlegende Wollmilchsau, die mit den heutigen, zur Verfügung stehenden Mitteln, nicht realisierbar ist und daher noch nicht exisitiert. Sie ist der Wunschtraum der einen und zugleich der schlimmste Albtraum der anderen.

Den Wenigsten ist bewusst, dass die KI-Forschung bereits in den 1950er Jahren begann. Heute ist schwache KI Teil unseres Alltags. Navigationssysteme, Staubsaugerroboter, individualisierte Werbung im Netz, Alexa und Siri, Bilderkennung, Spracherkennung, Übersetzungsprogramme, Chatbots oder der Schachcomputer Deep Blue, das alles sind Formen von schwacher KI, wenngleich auch hier in unterschiedlicher „intellektueller“ Ausprägung.

Doch kann in diesem Zusammenhang dann überhaupt von „Intelligenz“ gesprochen werden? Intelligenz bezeichnet die relativ stabile kognitive Funktion des menschlichen Gehirns. Sie befähigt uns zu abstrakten Denkweisen, wodurch Aufgaben und Probleme ohne spezifisches Vorwissen bewältigt werden können. (Kurzhals, 2011, S. 38f)

Testverfahren zur Erhebung der künstlichen Intelligenz

Mit verschiedenen Testverfahren, wie dem Turing Test oder neueren Konzeptionen, wie beispielsweise dem Lovelace– oder Metzinger-Test, wird versucht festzustellen, ob Maschinen das Denkvermögen von Menschen besitzen. Der nicht unumstrittene Turing Test etwa sieht dies bewiesen, wenn in der schriftlichen Kommunikation mit einem Menschen und einer Maschine, die Maschine als solche nicht eindeutig identifiziert werden kann. Es scheint so, als hätte die Google Duplex KI diesen Test bestanden.

Der Physiker und Neurobiologie Christoph von der Malsburg ist Pionier auf dem Gebiet der digitalen Gesichtserkennung und negiert Intelligenz bei Maschinen. In einem Interview begründet er das damit, dass es ihnen an Kreativität fehlt sich in einer wechselnden Umgebung zielgerichtet anpassen und verhalten zu können. Er erklärt, dass es sich nach wie vor um von Menschen geschaffene Systeme handelt, die entsprechend ihrer Programmierung das tun, was der Mensch ihnen angedacht hat. Das Ergebnis entspricht einer statistischen Auswertung.

Wie lernen Maschinen

Einfache Programme lernen regelbasiert, also nach vorgegebenen Lernregeln. Beim Machine Learning hingegen wird nicht regelbasiert, sondern selbständig anhand von Daten, Beispielen und durch Erfahrung gelernt. Je umfangreicher die Daten und deren Qualität, und je mehr Trainingsstunden eine Maschine absolviert, desto besser ist das Ergebnis, dass sie erzielt. Dadurch gelingt es ihnen, weit über die Leistungsfähigkeit eines Menschen hinaus, eine Flut von schier unüberschaubaren Daten und Informationen in einer adäquaten Zeit auszuwerten und daraus Korrelationen sowie Muster zu erkennen, Prognosen zu erstellen, Schlussfolgerungen zu ziehen oder konkrete Fragestellungen zu beantworten. Was gelernt wird, bestimmt jedoch weiterhin der Mensch.

Während die Maschine beim Supervised Machine Learning durch Feedbackschleifen im Lernprozess lernt, was richtig und was falsch ist, lernt sie beim Unsupervised Machine Learning selbständig ohne Rückmeldung von jemand anderen. Beim Deep Learning werden Algorithmen in der Art zu einem neuronalen Netz verbunden, das sie die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachbilden. Durch Deep Learning können Maschinen weit größere Mengen an unstrukturierten Daten verarbeiten, gleichzeitig schneller lernen und bessere Ergebnisse erzielen.

Eigendarstellung in Anlehnung an codesofinterest.com

„Künstliche Kompetenz“ der zutreffendere Begriff? 

Stabilität und Generalität sind nach Kurzhals (2011, S. 38f) wesentliche Unterscheidungskriterien zwischen Intelligenz und Kompetenz. Im Gegensatz zur allgemeinen Intelligenz eines Menschen, sind Kompetenzen nicht stabil, sondern können diese weitestgehend erlernt respektive entwickelt, aber auch verlernt werden. Darüber hinaus sind Kompetenzen situationsspezifisch, kontextabhängig und beziehen sich auf einen konkreten Anwendungsbereich.

Kompetenzbegriff im interdisziplinären Vergleich

Eigendarstellung in Anlehnung an Sprafke (2016, S. 67)

Wodurch definiert sich „künstliche Kompetenz“?

Offensichtlich ist, dass die vorbeschriebenen Merkmale zur Definition des Kompetenzbegriffes auf eine KI nicht zur Gänze zutreffen. Nach Hartmann (2015, S. 3) mündet künstliche Kompetenz nicht in einer bestimmten Handlungsweise, sondern bezeichnet dieses das Niveau der von Maschinen erfüllten Aufgaben und getroffenen Entscheidung die, im Vergleich zur vom Menschen erbrachten Performance, einen höheren Erfüllungsgrad aufweisen.


Welche Bedeutung haben „künstliche Kompetenzen“ für Unternehmen?

Die Digitalisierung schreitet voran und wird à la longue alle Wertschöpfungsprozesse eines Unternehmens erfassen. Eine Studie von PwC am Beispiel Deutschland aus dem Jahr 2018 zeigt das vorhandene Potenzial. Gemäß dieser Studie könne das deutsche BIP bis 2030 durch den Einsatz von KI um 11,3% (= EUR 430 Mrd. Wertschöpfung) gesteigert werden. Andere Studien sprechen davon, dass sich die Wertschöpfung der Unternehmen durch die Nutzung von KI bis 2022 verzehnfachen werde.

Kompetenzmanagement als strategischer Erfolgsfaktor

Aufgrund von technologischen Entwicklungen bieten sich für Unternehmen neue Chancen. Zugleich müssen sie sich aber auch unbekannten Herausforderungen stellen. Ein strategisches Kompetenzmanagement wird als Steuerungs- und Planungsinstrument zur Unterstützung bei der Erreichung der Unternehmensziele, durch Gestaltung und Begleitung der an der Unternehmensstrategie ausgerichteten Kompetenzentwicklungsprozesse, verstanden. „Nur Unternehmen, die proaktiv die notwendigen Kompetenzen definieren, identifizieren und entwickeln, werden in Zukunft erfolgreich sein“. (Sauter, Staudt, 2016, S. 1-3)

Ein ganzheitlich vernetztes Kompetenzmanagement berücksichtigt „künstliche Kompetenzen“

Wenngleich im Sinne des Kompetenzmanagements von Kompetenzentwicklungsprozessen der Mitarbeiter/innen gesprochen wird, so ist im Hinblick auf die prognostizierte steigende Wertschöpfung durch den Einsatz von KI, eine Weiterentwicklung dieses Konzepts durch die Berücksichtigung „künstlicher Kompetenzen“ anzudenken. Nach Hartmann (2015, S. 3) sollte ein auf die Zukunft ausgerichtetes Kompetenzmanagement sowohl die menschlichen Kompetenz, als auch die der KI umfassen, weiterentwickeln, durch Verknüpfung sowie kurzfristige und sich ändernde Kombinationen, zur Optimierung der Leistungserbringung beitragen.

Für KMU stellt der mit dem technologischen Fortschritt einhergehende Wettbewerbsdruck eine besondere Herausforderung an die vorhandenen Ressourcen dar. Darüber hinaus verlangt diese Entwicklung nach Überwindung der Trennung von Personalentwicklung und technischer Weiterentwicklung. Hartmann (2017, S. 176, 182) sieht hier als Lösung die Etablierung eines dynamischen Wertschöpfungsnetzwerkes durch die Inanspruchnahme externer Partner, die die notwendigen Strukturen konfigurieren und Kompetenznetzwerke überbetrieblich organisieren. 

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden benötigt um KI effizient nutzen zu können?

Zur Nutzung von KI in Unternehmen hat Microsoft gemeinsam mit EY eine Umfrage durchgeführt. Dazu wurden 277 Unternehmen aus verschiedenen Ländern und Branchen befragt und um deren Einschätzung und Bewertung ersucht. Im Rahmen dieser Befragung wurden 8 wesentliche Faktoren identifiziert:


Einsatz von KI in Personalprozessen

Im Personalmanagement können die im Unternehmen vorhandenen Mitarbeiterdaten zur Automatisierung der Personalprozesse sowie zur Erstellung von Wahrscheinlichkeitsvorhersagen auf strategischer Ebene genutzt werden. Gerade der Recruiting-Prozess (Robot Recruiting) wird in Unternehmen zunehmend und vollständig digitalisiert. Ein weiteres relevantes Einsatzgebiet besteht in der strategischen Nutzung von validen Prognosen für die Personalentwicklung und die Personalbedarfsplanung.

Worauf muss beim Einsatz geachtet werden?

KI hat kein Bewusstsein oder Taktgefühl, zeigt kein Verständnis und erkennt nicht, wenn sie zu falschen Ergebnissen kommt.

  • Qualität der Daten und des Algorithmus

Über die Qualität der Resultate entscheidet maßgeblich die Qualität des Algorithmus selbst sowie die Menge und die Güte der vorhandenen Daten. Im Vorfeld der Implementierung sollte daher genau erhoben werden, zu welchem Zweck die KI verwendet werden soll und ob die in Betracht kommenden Algorithmen und die vorhandenen Daten dafür geeignet und brauchbar sind.

  • Das Ergebnis muss nachvollziehbar und belastbar sein

Prof. Sabine Köszegi von der TU Wien erklärt in einem Interview weshalb es zu Schwierigkeiten bei der Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen der Algorithmen kommt. Sie erklärt, dass Wahrscheinlichkeitsvorhersagen oftmals umso genauer sind, je mehr Daten und Variablen berücksichtigt werden. Die Analyse bedarf sohin eines entsprechend komplexen Algorithmus, dessen Prognosen oder Entscheidungen mit steigender Komplexität zunehmend weniger nachvollziehbar und undurchschaubarer werden. Wenn jedoch ein Bewerber einen Job nicht erhält oder eine betroffene Person ihr Recht auf Erklärung einer Entscheidungsfindung gemäß der DSGVO geltend macht, besteht die Notwendigkeit zur Begründung, Transparentmachung und Rechtfertigung der getroffenen Entscheidung.

  • Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen

Eine zwingende Grundvoraussetzung beim Einsatz von KI ist die lückenlose Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Bestimmungen, hier insbesondere die Einhaltung der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) sowie des jeweiligen nationalen Datenschutzgesetzes.

  • Diskriminierung

Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass der verwendete Algorithmus zu keinerlei Diskriminierung führt. Prof. Dr. Katharina Zweig von der TU Kaiserslautern erklärt in diesem Interview sehr gut nachvollziehbar am Beispiel der Bewerberauswahl, wie die Diskriminierung in den Algorithmus kommt, gleichwohl der KI zugesprochen wird, das gerade zu verhinden und ausschließlich rationale Entscheidungen zu treffen. Ein weiteres, prominentes Negativbespiel ist der vielumstrittene AMS Algorithmus. Während bei der Bewerberauswahl die Diskriminierung durch die Daten mit denen der Algorithmus lernt und Muster erkennt, entsteht, entsprechen die Ergebnisse des AMS Logorithmus der zugrundeliegenden Gewichtung in der Programmierung und entsteht die Diskriminierung durch die spezifische Anwendung des Menschen basierend auf den Ergebnissen.


Wo steht die KI in unserer Gesellschaft heute?

KI ist kein allgemeiner Problemlöser und hat noch lange nicht auf alles eine Antwort. Derzeit kann sie die Menschen noch nicht ersetzen. Sie bietet aber bereits heute vielfältige und gewinnbringende Möglichkeiten für Unternehmen und einen mehrwertbringenden Nutzen im Alltag. Dennoch birgt sie auch Risiken und Gefahren, denen durch eingehende Überlegungen und sorgfältige Planung entgegnet werden muss. Wir können und müssen verantwortungsbewusst und nach ethischen Gesichtspunkten die KI-Entwicklung gestalten und lenken.


Literatur und weiterführende LINKs

https://www.wfb-bremen.de/de/page/stories/digitalisierung-industrie40/was-ist-kuenstliche-intelligenz-definition-ki

https://www.deutschlandfunkkultur.de/ki-forscher-christoph-von-der-malsburg-hoffen-auf-eine.1008.de.html?dram:article_id=466574

https://www.codesofinterest.com/2016/11/difference-artificial-intelligence-machine-learning-deep-learning.html

https://www.haufe.de/personal/hr-management/robot-recruiting_80_484436.html

https://www.haufe.de/personal/hr-management/was-koennen-algorithmen-im-hr-management-leisten_80_446796.html

https://www.derstandard.at/story/2000114974300/ams-algorithmus-forscher-warnen-vor-diskriminierung-und-bemaengeln-fehlende-transparenz

Hartmann, V., Tschiedel, R. (2015). Auf dem Weg zur künstlichen Kompetenz. TAT-Schriftenreihe PROKOMpakt, (2). https://www.prokom-4-0.de/files/downloads/prokompakt-02-2015.pdf (zuletzt abgerufen: 29.6.2020)

Hartmann, V. (2017). Vernetztes Kompetenzmanagement. Gestaltung von Lernprozessen in organisationsübergreifenden Strukturen. In M. Bornewasser (Hrsg.), Zur zukünftiger Bedeutung einer „Künstlicher Kompetenz“ (S. 176-183). Heidelberg: Springer Verlag

Kurzhals, Y. (2011). Personalarbeit kann jeder. Professionalisierung im Personalmanagement – Erfolgsrelevante Kompetenzen von HR-Managern. Mering: Rainer Hampp.

Sauter, W., Staudt F.P. (2016). Strategisches Kompetenzmanagement 2.0. Potenziale nutzen – Performance steigern. Wiesbaden: Springer Gabler

Schreyögg, G., Kliesch, M. (2003). Projekt „Lernen im Prozess der Arbeit“ – Rahmenbedingungen für die Entwicklung Organisationaler Kompetenzen. QUEM-Materialien (48). Berlin. https://www.abwf.de/content/main/publik/materialien/materialien48.pdf (zuletzt abgerufen: 29.6.2020)

Semet, S., Hilberer, L. (2018). Digital HR. Smarte und agile Syteme, Prozesse und Strukturen im Personalmanagement. In T. Petry (Hrsg.), W. Jäger (Hrsg.), Potenzial von künstlicher Intelligenz für HR (S. 181-193). Freiburg: Haufe.

Sprafke, N. (2016). Kompetente Mitarbeiter und wandlungsfähige Organisationen. Wiesbaden: Gabler Verlag