Das Uncanny Valley in der Marketing Automation

Als ich vor einigen Jahren bei einem Software Anbieter arbeitete, erhielt unsere Marketing Abteilung eine E-Mail eines verärgerten potenziellen Kunden, der sehr verwirrt war, warum wir seine Fragen in einem Webinar nicht beantworteten. Was der Mann damals nicht wusste: es handelte sich beim Webinar um eine Aufzeichnung, die wir in unsere Marketing Automation aufgenommen hatten und als Live-Webinar zu bestimmten Zeitpunkten ausspielten. Der Herr sah also zwei reale Menschen auf seinem Bildschirm und erwartete, dass diese seine im Chat geschriebene Fragen sehen und beantworten würden, wurde aber gekonnt ignoriert. Dabei dürfte sich bei ihm ein Gefühl der Dissonanz oder des Unbehagens eingestellt haben, welche ihn veranlasste, uns eine verärgerte E-Mail zukommen zu lassen. So fühlt sich das Uncanny Valley an. Was das genau ist und warum es für die Marketing Automation relevant ist, erfährst du in diesem Artikel.

Was ist das Uncanny Valley?

1970 erwähnte der Japanische Robotics Professor Masahiro Mori erstmals in einer Publikation den Begriff Uncanny Valley (Mori, 2012). Er erklärte, dass es sich beim Verhältnis zwischen der Menschlichkeit von Maschinen und der Sympathie des Menschen für die Maschine nicht um ein geradliniges Verhältnis handelt. Denn während ein Roboter mit Armen und Beinen mehr Sympathie in einem Menschen auslöst als beispielsweise ein Drucker, so können Roboter, die dem Menschen sehr ähnlich sind, dennoch nicht zur Gänze menschlich wirken, ein Gefühl des Unbehagens auslösen. Genau hier befindet sich das Uncanny Valley. Es können die kleinsten Details sein, die einem Menschen nicht ähnlich sind, die dieses Gefühl auslösen. So beschreibt Mori als Beispiel eine Handprothese, die zwar sehr realistisch aussieht, sich jedoch kalt und gummiartig anfühlt (Mori, 2012).

Grafik, die das Uncanny Valley veranschaulicht
Quelle: Mori, 2012

Was Mori hier beschreibt kann aber auch auf die Marketing Automation angewendet werden. Denn vor allem Sprache ist ein Aspekt, den Forscher*innen in der Künstlichen Intelligenz noch nicht perfektionieren konnten. Es sind kleine Unterschiede in der Wortwahl, die einen großen semantischen Effekt haben und damit offenlegen, dass es sich beim Gegenüber nicht um einen Menschen, sondern eine Maschine handelt. Augie Ray (2016) beispielsweise beschreibt in seinem Blogartikel zum Uncanny Valley, wie er dieses Gefühl des Unbehagens mit einem virtuellen Trainer erlebte. Dieser antwortet mit „Ich bin stolz auf dich“, nachdem Ray die richtige Antwort auf eine Quizfrage gab. Ray beschreibt, dass er aufgrund der Leichtigkeit der Frage das unangenehme Gefühl erlebte, zu einem Kleinkind degradiert zu werden. Als ob ihm jemand gratulieren würde, weil er seine Schuhe richtig gebunden hätte. Man sieht schon, es können sehr kleine Details in der Automation sein, die eine große Auswirkung auf die emotionale Customer Experience haben.

Die Relevanz für die Marketing Automation

Wir treffen 90% unserer Kaufentscheidungen über Emotionen (Ackeret, 2019). Das ist eine sehr wichtige Information für Marketing-Mitarbeiter*innen in allen Branchen. Denn sie zeigt dir, dass du versuchen solltest zwischen deiner Marke und den potenziellen Kund*innen eine positive emotionale Bindung hervorzurufen. Das geschieht am besten, indem die Interaktionen mit der Marke positive Gefühle wie Freude, Neugier, Hoffnung oder Verständnis mit sich bringen. Gleichzeitig bedeutet das, negative Emotionen, wie sie beispielsweise im Uncanny Valley vorkommen, sollten vermieden werden. Diese würden unserer Marke und deren Image schaden. Durch die Marketing Automation und die damit einhergehende Nutzung von Maschinen in der Kommunikation mit Kund*innen steigt nun automatisch auch das Risiko, Kund*innen durch die automatisierten Interaktionen in das Uncanny Valley fallen zu lassen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Marketing-Mitarbeiter*innen, die eine Marketing Automation im Unternehmen einführen möchten, über das Uncanny Valley Bescheid wissen.
Wenn ein Unternehmen nun also beispielsweise einen Chatbot auf der Website anbietet, Seitenbesucher*innen aber vermittelt, diese würden hier mit einem echten Menschen kommunizieren, die Antworten jedoch nicht menschlich klingen, finden sich potenzielle Kund*innen im Uncanny Valley wieder. Sie fühlen dann nicht nur das oben beschriebene Unbehagen, sondern werden gleichzeitig auch eine negative Konnotation mit der Marke aufbauen, welche im Nachhinein nur noch schwer rückgängig zu machen ist.

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Fazit

Das Uncanny Valley beschreibt einen bestimmten Grad der Menschlichkeit bei Robotern und Maschinen, der aufgrund einzelner maschineller Aspekte ein Gefühl des Unbehagens in Menschen auslöst. Dieses negative Gefühl gilt es in der Marketing Automation zu vermeiden. Denn durch die Nutzung von Maschinen in der Interaktion mit potenziellen Kund*innen steigt das Risiko für das Uncanny Valley. Vor allem, wenn Kund*innen nicht explizit darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen Chatbot und keine*n Mitarbeiter*in des Unternehmens handelt.

Literaturverweise

Ackeret, M. (2019, 22. April). „Man muss die emotionale Nummer eins sein“. persoenlich.com. Abgerufen am 2. Juli 2022, von https://www.persoenlich.com/marketing/man-muss-die-emotionale-nummer-eins-sein

Mori, M. (2012). The Uncanny Valley. IEEE Robotics & Automation Magazine, Juni, 98–100. https://doi.org/10.1109/MRA.2012.2192811

Ray, A. (2016, 1. September). Avoid the Uncanny Valley When Automating Customer Experience Interactions. Gartner. Abgerufen am 2. Juli 2022, von https://blogs.gartner.com/augie-ray/2016/09/01/avoid-the-uncanny-valley-when-automating-customer-experience-interactions/

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